Wasserbaby-Post
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Ausgabe 03+4/95
Tauchen im ersten Lebensjahr
Alles Leben beginnt im Wasser – im Fruchtwasser.
Neun Monate hat das Baby im Wasser seine Muskeln trainiert. Im letzten
Schwangerschaftsmonat hat es schon den Tauchreflex ausgebildet,
seine Atemwege verschließen sich automatisch bei Wasserkontakt
im Gesicht. In den ersten neun Monaten etwa ist es weder ein reiner
Landsäuger, noch ein reines Wasserwesen. Es genießt beide
Elemente gleichermaßen. Deshalb ist es gut, wenn es sich weiterhin
im Wasser tummeln darf.
Schon in den ersten zwei Wochen nach der Geburt
lernen die meisten Babies mit dem Milieuwechsel zurechtzukommen.
Mindestens einmal täglich sollten sie ausprobieren können,
wie man das Wasser aus Mund und Nase hinaus befördert, wenn
man aus den Wellen auftaucht. Sehr geschickte Babies werden eine
kleine Fontäne auspusten, bevor sie wieder atmen.
Unter Wasser scheinen alle Babies sehr zufrieden
zu sein. Diese Umgebung ist ihnen ja vertraut. Sie halten die Augen
offen und können im Wasser offensichtlich besser sehen als
in der Luft. Der Anpassungsprozeß des menschlichen Auges an
die Brechung der Lichtwellen braucht etwa 18 bis 24 Monate. Bis
dahin sieht ein Baby mit an das wässrige Milieu der Fruchtblase
angepassten Augen. Deshalb braucht ein kleines Kind in den ersten
zwei Lebensjahren auch keine Tauchbrille, um unter Wasser gut sehen
zu können.
Schwimmen im Sinne von Brustschwimmen kann ein
Baby nicht. In den ersten Tagen bewegt es sich wie ein Fisch, es
bewegt seinen Oberkörper seitlich zum Unterkörper. Schon
bald aber kommen Ruderbewegungen mit den Beinen dazu. Ist das Wasser
unter 35 °C temperiert, dann wird jedes Baby automatisch die
Beine bewegen. Beim Auftauchen aus etwa einem Meter reichen der
natürliche Auftrieb und Beinbewegungen aus, um das Baby wieder
an die Wasseroberfläche zu bringen. Muss es aber eine größere
Strecke überwinden, dann nimmt das Baby auch die Arme zu Hilfe.
Es rudert, um seine Geschwindigkeit beim Aufstieg zu erhöhen.
Ein Baby wird instinktiv den minimalsten Energieaufwand zum Auftauchen
einsetzen, eine Technik, die von den meisten erwachsenen Tauchern
erst mühsam erlernt werden muss.
Eltern, die ihren Babies das feuchte Vergnügen
schon so früh ermöglichen, haben meistens noch andere
Beweggründe fürs Wassertraining ihrer Sprösslinge.
Da gibt es die aktiven SchimmerInnen, die ihrem Kind die Bewegungsfreiheit
in der Schwerelosigkeit des Wassers erhalten wollen. Schon in zartem
Alter lernt das Kind so mit dem natürlichen Auftrieb im Wasser
zu spielen. Surfer und Taucher wollen meistens, dass ihr Kind sie
möglichst schnell begleiten kann, wenn sie die schönsten
Wochen ihres Lebens im Meer verbringen. Sie müssen sich allerdings
ein paar Monate gedulden. Bei regelmäßigen Wasserkontakten
wird ihr Baby zwar schnell tauchen können, aber erst nach etwa
zehn Monaten ist es in der Lage, dabei auch ein Ziel zu verfolgen.
Es muss erst verstehen lernen, dass seine Bewegungen im Wasser auch
der Fortbewegung dienen können. Dazu müssen die Eltern
ihm die Erfahrung vermitteln, dass man Gegenstände oder Personen
in der Tiefe aufsuchen kann. Unter Wasser muss es also auch interessant
sein für das Baby.
Babies, die viel mit anderen Menschen im Wasser
gespielt haben, merken schnell, dass man sich auch ein Fortbewegungsmittel
im Wasser suchen kann. Sie lassen sich einfach auf dem väterlichen
Rücken nieder und wollen wie ein junger Delphin durchs Meer
getragen werden. Trifft man dann auch noch andere Wasserbabies dort
unten, sind alle Beteiligten immer wieder begeistert. Eine feste
Gruppe, wie die „Elterninitiative Wasserbabies“ im Enzkreis
erfindet bei jedem Wasserbaby-Treffen neue Anregungen für ihre
Kleinen im Wasser.
Wird ein Wasserbaby etwa zwei Jahre alt, verschwindet
der Tauchreflex allmählich. Manche Kinder sind bis dahin so
routiniert, dass sie bewusst den Atem anhalten können. Andere
sind überrascht und müssen neu üben. Wie erfolgreich
die Kinder bei diesem Übergang sind, hängt von ihrem Interesse
am Spiel im Wasser ab. Aus jedem Jahrgang der Wasserbabies gehen
einige gute Taucher hervor, die mit ihren Eltern schon in jungen
Jahren in den schönsten Tauchgründen der Welt waren. Natürlich
begleiten sie die Eltern dort nicht bei den Tauchgängen in
zehn und zwanzig Metern Tiefe, denn sie können bis jetzt ja
nur frei tauchen. Allerdings kann sich ein gut trainiertes Kleinkind
mindestens drei Minuten unter Wasser aufhalten, und das reicht im
Allgemeinen für zwei bis vier Meter Tauchtiefe. Fische und
andere Wassertiere interessieren die meisten Kinder sehr, denn die
schnellen Bewegungen und die bunten Farben der Tiere sind in diesem
Alter ansprechend. Sie verlocken zum Hinterhertauchen.
Das Flaschentauchen in größere Tiefen
wurde bisher mit Kleinkindern über drei Jahren probiert. Sicher
ist es vernünftig, Kinder möglichst lange ohne technische
Hilfsmittel tauchen zu lassen. Das Training ihrer Lungen bewerkstelligen
sie dann spielerisch. Gefahren durch falsche Handhabung oder technische
Fehler der Geräte werden vermieden. Die freie Bewegung ist
für ein Kleinkind wichtiger als die mögliche Tauchtiefe.
Wenn ein Kind mit etwa dem fünften Lebensjahr
das Interesse für technische Details entwickelt, dann wird
es auch den Umgang mit Luftflaschen leicht erlernen können.
In jedem Falle bringt ein ehemaliges Wasserbaby die besten Voraussetzungen
für seinen ersten Tauchkurs mit, denn es braucht nicht erst
Vertrauen zum Wasser und seiner Tauchfähigkeit aufzubauen.
Das natürliche Interesse eines Fünfjährigen an seinem
Körper und der Leistungsfähigkeit lassen ihn zu einem
gelehrigen Tauchschüler werden. Schon in diesem Alter kann
ein wassertrainiertes Kind zum Scuba-Diving übergehen.
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