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Ausgabe 01/96
Kinder und Delphine - spontane Verständigung?

Es ist der 23. Juni 1992. Die Gewitterfront ist weitergezogen. Über Palm Beach, Florida, scheint die Sonne. Der Kapitän der Sea Guard läßt die Segel setzen und verläßt den Hafen auf südlichem Kurs.

Die Sea Guard ist ein Zweimaster mit dunkelroten Segeln. Im Jahr 1929 lief sie in Holland vom Stapel. Netze für den Fischfang hat sie heute nicht mehr an Bord. Gerry, ihr jetziger Besitzer und Kapitän, hat die Fischerei aufgegeben, die Sea Guard blau gestrichen und befährt jetzt die Gewässer südlich von Florida. Heute hat Gerry Kinder an Bord. Vier Jungen und vier Mädchen im Alter zwischen sieben und sechzehn Jahren - deutsche, amerikanische und japanische Kinder, die in der Kleinen Bahama Bank im Nordosten der Inselgruppe mit wilden Delphinen schwimmen werden. Warum gerade dort? In diesem Gebiet haben Begegnungen zwischen Delphinen und Menschen eine siebzehnjährige Tradition. Es begann mit den Schatztauchern. Die Gegend ist bei professionellen Schatztauchern sehr beliebt. Im 16. Jahrhundert sanken in den gewaltigen Stürmen über den großen Sandbänken nicht wenige spanische Galeeren mitsamt ihrer Gold- und Silberladung. Grund genug, Zeit und Geld zu investieren, um nach diesen Schätzen zu suchen und sie – wenn man Glück hat – heraufzuholen. Um ihre Funde zu bergen, ankerten die Taucher mit ihren Schiffen oft jahrelang am selben Platz. Die in der Gegend heimischen Delphine, zumeist Fleckendelphine, wurden neugierig, schauten den Tauchern bei der Arbeit zu und begannen mit ihnen zu spielen. Die Sache sprach sich herum und schließlich brachten die ersten Boote auch Menschen, denen es nur darum ging, mit den Delphinen zu schwimmen. Und seit es im Geltungsbereich der US-Gesetze verboten ist, sich wilden Delphinen auf weniger als fünfzig Meter zu nähern, boomt das Delphin-Schwimmen in der Kleinen Bahama Bank.

Als die Sea Guard im Zielgebiet eintrifft, ist das Wetter ideal. Das ist keineswegs selbstverständlich, denn heftige Stürme sind um diese Jahreszeit keine Seltenheit. Das Wasser ist glasklar und schimmert in den schönsten Türkis- und Blautönen. Dean Rollings, ein Wissenschaftler, der die Gruppe begleitet, läßt zwei voluminöse Unterwasserlautsprecher an der Bordwand herunter und spielt ein Tonband mit den Lauten Großer Tümmler ab. Er hofft, daß die Klicks und Pfiffe Dephine, die in der Nähe sind, anlocken. Und es scheint zu klappen: am Nachmittag erscheinen sechs Delphine beim Schiff, darunter zwei Mütter mit ihren Kälbern.
Sofort stürzen sich die Kinder, eins nach dem anderen mit Flossen ins Wasser. Die Tiere scheinen keine fünf Meter vom Schiff entfernt auf sie zu warten. Fast eine Stunde tollen Delphine und Kinder zusammen im klaren Wasser herum, umschwimmen einander, tauchen gemeinsam wieder an die Oberfläche, um zu atmen. Sie schwimmen nebeneinander her, und die Delphine passen sich an das Tempo der Kinder an. Einige Tiere lassen sich anfassen und minutenlang streicheln. Die Kinder sind begeistert. Angst haben sie keine.
Erschöpft aber glücklich klettern die Kinder schließlich wieder an Bord. Die Delphine sind davongeschwommen, aber die Jungen und Mädchen zweifeln nicht daran, sie morgen wiederzusehen. Aufgeregt erzählen sie von ihrem Erlebnis.
„Ich bin schon einmal mit Delphinen geschwommen, aber mit dressierten“, erzählt der elfjährige Travis aus Chicago. „Mit wilden Delphinen wollte ich schon immer schwimmen. Es war ganz neu für mich. Am Anfang habe ich sogar das Atmen vergessen. Mit einem bin ich besonders viel zusammen gewesen. Er ist bei mir geblieben, und wir haben herumgetobt. Es ist schwer zu beschreiben, wie es sich angefühlt hat. Es fühlte sich gut an. Und seltsam. Ganz anders. Er ist näher herangekommen, wenn ich ihm in die Augen geschaut habe. Wenn man hinabtaucht kommen sie noch näher heran. Dann kann man sie berühren.“
Stephan kommt aus der Nähe von Königswinter. Der Elfjährige ist normalerweise eher schüchtern, doch jetzt geht die Begeisterung mit ihm durch. Zwei Minuten haben „sein“ Delphin und er sich in die Augen geschaut und so lange hat er ihn auch streicheln können. „Es war fast wie mit meinem Hund. Doch irgendwie anders. Man muß sich konzentrieren, damit sie zu einem kommen. Man muß ihnen tief in die Augen sehen. Man darf nicht wegschauen. Der Delphin bleibt dann bei dir und wartet auf dich. Ich habe ihn gestreichelt und es hat ihm gefallen. Mir ist erst viel später bewußt geworden, daß es ja wilde Delphine sind. Ich habe das Gefühl, daß wir uns verstanden haben. Er hat auf mich gewartet, wenn ich langsamer geschwommen bin.“
„Es ist schwer zu sagen, wie es sich anfühlt“, sagt die vierzehnjährige Fay, die in Mexiko City zu Hause ist. „ Ich kann es nicht beschreiben. Der Kontakt ist viel enger, als mit Menschen. Es ist eine Verbindung über das fühlen – ohne Sprache. Beide empfinden das gleiche. Selbst wenn man sich nicht berührt. Ich habe gespürt, daß sie mir gegenüber ganz offen sind, und ich habe mich selbst auch geöffnet. Hinter ihren Augen habe ich eine Persönlichkeit gefühlt, ganz deutlich. Obwohl es aufregend ist, war ich ganz ruhig, als ich aus dem Wasser kam. Man ist traurig, man ist glücklich. Alles auf einmal.“
Alle Kinder sind beeindruckt, daß die Delphine freiwillig zu ihnen gekommen sind und mit ihnen gespielt haben. Travis: „Wenn man mit gefangenen Delphinen schwimmt, weiß man, daß sie da sein werden. Und man weiß, sie werden mit einem spielen und ihre Tricks zeigen. In der Wildnis macht es viel mehr Spaß. Sie kommen und gehen, wie sie wollen. Sie spielen mit uns, weil sie es wollen, nicht weil sie es müssen. Es ist besser für sie und besser für uns. Ich weiß nicht warum, aber es fühlt sich besser an.“
Nachdem die Kinder fast eine Woche mit den Delphinen der Kleinen Bahama Bank geschwommen sind, ist der siebenjährige Ian immer noch genauso fassungslos wie zu Beginn: „Da war ein Delphin, der ist jeden Tag zu mir gekommen. Er mußte einen weiten Weg schwimmen, um mich zu besuchen. Es war ihm die Mühe wert.“

Gibt es doch eine Verständigung zwischen Menschen und Delphinen?

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2002 - 2018 Susanne Fischer